An diesem Abend erstrahlte das Grand Hotel in Neu-Delhi in glanzvoller Eleganz. Ich – der vierzigjährige Rajesh Malhotra – betrat stolz das Hotel, Hand in Hand mit meiner umwerfenden jungen Braut, während uns aus allen Ecken bewundernde Blicke folgten.
Der Empfang war einfach großartig: Frische Blumen schmückten den Saal, edler Wein floss in Strömen und ein Live-Orchester spielte zarte indische Melodien. In diesem Moment dachte ich, ich hätte den Gipfel der Freude und des Triumphs erreicht.
Doch gerade als ich mein Glas zum Anstoßen hob, blieb mein Blick an einer Gestalt in der hintersten Ecke hängen. In schlichter Uniform, mit ordentlich zurückgebundenem Haar und einem Tablett in den Händen stand ein Gesicht, das ich nur zu gut kannte.
Mein Herz machte einen Sprung, dann lachte ich.
Es war Anita – meine Ex-Frau. Die Frau, die mir früher einfache hausgemachte Mahlzeiten serviert hatte, stand nun bei meiner Hochzeit da und servierte Getränke, während ich im Maßanzug neben meiner neuen Braut stand.
Geflüster ging durch den Raum.
„Ist das nicht Rajeshs Ex-Frau?“
Die Ironie war köstlich, dachte ich. Ich hatte ein schöneres Leben, während sie sich auf die Gastronomie beschränkte. Ich lächelte selbstgefällig und genoss den süßen Triumph nach unserer Scheidung.
Doch dreißig Minuten später war die Illusion zerstört.
Als die Feierlichkeiten in vollem Gange waren, kam ein angesehener älterer Herr an meinen Tisch – Mr. Sharma, ein wichtiger Geschäftspartner, den ich schon lange für mich gewinnen wollte. Lächelnd hob er sein Glas.
„Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Neuanfang.“
Ich strahlte.
„Danke, Sir. Es ist uns eine Ehre, Sie hier zu haben.“
Doch plötzlich richtete sich sein Blick auf Anita, die im Hintergrund noch immer leise aufräumte. Er stellte sein Glas ab, und seine Stimme war bedeutungsvoll:
„Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen etwas mitteilen.“
Das lebhafte Geplapper verstummte augenblicklich.
Er deutete auf Anita und verkündete:
„Diese Frau ist meine Retterin. Vor drei Jahren wäre ich in Jaipur bei einem Autounfall fast ertrunken. Sie riskierte ihr Leben und sprang ins eiskalte Wasser, um mich herauszuziehen. Ohne ihren Mut würde ich heute nicht hier stehen.“
Durch den Saal hallte ein Keuchen. Ich saß wie erstarrt da und konnte nicht sprechen.
Herr Sharma fuhr mit ehrfürchtigem Ton fort:
Sie ist außerdem Mitbegründerin der Wohltätigkeitsorganisation, die ich mit Stolz unterstütze. Nach ihrer Scheidung verzichtete sie auf jeglichen Luxus zugunsten ihres Ex-Mannes und entschied sich stattdessen dafür, in Würde zu arbeiten und sich um ihre alternde Mutter und ihren kleinen Sohn zu kümmern.
Seine Worte schlugen wie Donner ein.
Ich wandte mich an Anita. Tränen schimmerten in ihren Augen, doch sie senkte den Kopf und setzte ihre Arbeit fort, als wäre sie von der plötzlichen Erkenntnis unberührt.
Die Gäste murmelten ehrfürchtig:
„Wer hätte gedacht, dass sie so viel Anmut und Adel in sich trägt?“
Und ich? Was machte mich der Mann, der sie verspottet hatte?
Hitze stieg mir ins Gesicht, Schweiß tropfte auf meine Stirn. Mein Stolz verwandelte sich in Scham. Der „Sieg“, den ich einst genossen hatte, entpuppte sich als nichts weiter als Arroganz und Grausamkeit Weiter auf der nächsten Seite
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